Geschichten aus dem Dienstleben
Wir sind der Schutz des Batallions

Irgendwann in der schönen Jahreszeit 1955 oder 1956 erscholl, was noch nie passiert war, mitten während des Unterrichtes an der Fliegertechnischen Schule die Alarmanlage: Gefechtsalarm. Wir strebten in die Unterkünfte, rüsteten uns mit dem Marschgepäck aus und erhielten unsere MPi,  allerdings auch mit Munition. Danach Antreten aller Kompanien und Einheiten auf dem Exerzierplatz.

Unsere beiden Stabsoffiziersklassen waren, was wir nicht wussten, als "Schutzzug des Bataillons" eingeteilt und sollten nun unter technischer Führung des Fachlehrers -es war Oltn. MARTIN- und seines Oberfeldwebels die Aufgaben wahrnehmen. Zwar hatten wir im Rahmen des Lehrplanes mit Atomangriffen, Dekontamination nach Giftgaseinsätzen zu tun und in der Gefechtsausbildung mit Schutzanzug und -maske individuell geübt, was jedoch die Aufgaben für die ganze Schule (im Gefechtsfall als Bataillon bezeichnet) sein könnten und wie das zu bewerkstelligen war, hatten wir nie erfahren.

Uns wurde von der Objektfeuerwehr das Tanklöschfahrzeug und der Gerätewagen mit Einachsanhänger zugeteilt und los ging's per Fuß stundenlang in unbekannte Richtung in ein Waldstück. Die Führung mit Karte hatte der Fachlehrer und wir mussten jede Menge Gerätschaften, kleine Feuerwehrspritzen, Kisten und Kästen buckeln - in die fast leeren Begleit-KfZ durfte nichts eingeladen werden.

Irgendwo angekommen, wurden die Dekontaminationspunkte (würde man heute sagen) "eingerichtet", d.h., mit Zweigen und Ästen abgesteckt.

Dann verfielen wir in den Wartestand -z.B. auf eine Verpflegungsexpedition. Die Zeit verging - nichts geschah - wir knabberten unsere "Eiserne Verpflegungsschachtel" auf - es wurde Nacht - es wurde Morgen. Nichts aber auch garnichts passierte.

Nach dem Mittag entschloß sich der Fachlehrer, dem das auch komisch vorkam, das Lager abzubauen und selbstständig den Rückmarsch anzutreten. Also buckelten wir schwer enttäuscht unsere Gerätschaften wieder auf und die beiden KfZ zockelten leer hinter uns her. Die Stimmung wurde immer schlechter, da kam irgendeiner auf die Idee, ein Marschlied zu dichten. Das heiterte uns auf, zumal der Text ziemlich aufmüpfig war. Ich weiß den mehrstrophigen Inhalt nicht mehr, nur ein Stück das Refrains blieb mir in Erinnerung:

"Wir sind der Schutz des Bataillons
Hurra - da sind wir schon
Man hat uns nicht geholt
Sondern verkohlt!"

So zogen wir dann auch lauthals gröhlend durch Kamenz und durch das Kasernentor. Später erfuhren wir: man hatte uns vom "Gefechtsstab" nicht vergessen sondern krampfhaft gesucht! Wir waren ja nicht nach offiziellem Ende der Übung am Abend wieder in der Kaserne angekommen - jedoch wusste keiner, wo wir waren, da die einzige Karte mit dem entsprechenden Eintrag immer beim Fachlehrer gewesen ist, der diese ja mitgeführt hatte.

Nachdem wir die Ausrüstung wieder eingelagert hatten, wurde uns gestattet, duschen zu gehen. Der Duschraum lag gegenüber unserem Unterkunftsblock, quer über den Exerzierplatz zu erreichen. Dazu muß man wissen, dass es für uns Offiziersschüler sehr strenge Regeln gab: der Exerzierplatz war ein "Heiligtum" - er durfte nur bei Appellen, zum Frühsport und Exerzierübungen betreten werden. Wir durften auch nicht den "Pleikiesweg" benutzen, der am Rande des Platzes entlangführte (benannt nach einem Offizier, der ihn mal bauen lies). Wir mussten also die lange Fahrstraße drumherum benutzen. Nun setzte wohl die "Schwarmintelligenz" ein - jedenfalls unsere beiden Klassen strömten ungeordnet quer über "heilige Fläche".

Das bemerkte der OvD und spritzte aus seinem Dienstzimmer - alle Erläuterungen halfen nichts: "Zurück oder ich muss Sie aufschreiben!" Ich weiß nicht mehr wer es war, aber der Mann an unserer Spitze sagte: "Dann schreiben Sie mich zuerst auf - sonst erkälte ich mich und muss mich beschweren!" Wir wurden akribisch alle aufgeschrieben.

Einen Tag später wurde alle "Aufgeschriebenen" vor das Zimmer des Kompaniechefs befohlen. Drin erfolgte der individuelle Dialog: "Sind Sie gestern über den Explatz gelaufen?" "Ja, Genosse Hauptmann!" "Offiziersschüler - Sie erhalten einen Verweis - Hauptfeldwebel Eintrag in die B/B-Karte." (B/B-Karte = personelle Belobigungs- und Bestrafungskarte). Damit war den "Gesetzen" Genüge getan- ca. 40 Mann kamen in die B/B-Statistik.

Und was mich daran eigentlich geärgert hatte: Diese Bestrafung nahm ich mit in mein Offziersdasein. Erst der Geschwaderkommandeur hat sie gelöscht.