Geschichten aus dem Dienstleben
Eine verhinderte Dienstreise

Im Winter zu Anfang des Jahres 1964 wollte ich eine Dienstreise in zivil nach Berlin unternehmen. Ich lebte zu diesem Zeitpunkt im Ledigenheim außerhalb der Kaserne. In der Nacht begann ich mich unwohl zu fühlen - stärker werdende Rückenschmerzen oberhalb des Beckens, die ich nicht einordnen konnte. Der Kaffee schmeckte nicht und half auch nicht. Die Abfahrt war früh sehr zeitig festgelegt, da ich noch einen Leutnant von einem anderen Standort mitnehmen musste. Da das Unwohlsein zunahm, legte ich mich auf die Rückbank des PKW - der Leutnant nahm dann auf dem Beifahrersitz Platz und so tuckelten wir die B96 entlang in Richtung Berlin.

Da es mir weiterhin schlechter ging entschlossen sich Leutnant und Kraftfahrer, mich im Kreiskrankenhaus Fürstenberg /Havel, welches an der Hauptstraße lag, "abzuliefern". Nach einer Arztbesichtigung und dem Röntgentisch war die Diagnose: ein klitzekleines Steinchen im linken Harnleiter. Man beschloss, mich vorerst dazubehalten und auf der Rückfahrt wieder mitzunehmen. Der Leutnant nahm mir "sicherheitshalber" meinen Wehrdienstausweis ab, sodass ich -wohlgemerkt in Zivil- ohne alle Ausweispapiere mit einer Schmerzspritze ins Bett kroch.

Nach einiger Zeit kam ein Krankenpfleger mit Stift und Papier - "Nun wollen wir mal die Personalien aufnehmen....!" Name, Vorname, Geburtsdatum - kein Problem. "Wo wohnen Sie?" war die nächste Frage. Antwort meinerseits: "In Weggun Kreis Prenzlau." "Wie kamen Sie nach Fürstenberg?" Antwort: "Von Stallberg Kreis Pasewalk über Burg-Stargard Kreis Neubrandenburg mit Ziel Berlin." Etwas konsterniert gab er sich zufrieden.

Später kam eine Krankenschwester, ebenfalls mit Stift und Papier und es erfolgte selbiger Dialog wie mit dem Krankenpfleger. Das wiederholte sich gegen Mittag nochmals mit einem Arzt.

Am späten Nachmittag kam verabredungsgemäß mein Leutnant vorbei und bei der Verabschiedung vom Arzt fragte ich, wieso drei mal die Personalien abgefragt wurden. "Na wissen Sie, da wird frühmorgens von unbekannten Personen eine Person ohne alle Ausweispapiere bei uns aus einer ganz anderen Gegend abgegeben und gibt einen Ort nach dem anderen an. Wer verwirrt wen?"

Wir fuhren dann in die Kaserne Trollenhagen bei Neubrandenburg, wo ich im Med.-Punkt "auf Station" die Nacht über im Bett bleiben sollte. Die Station befand sich in der 1. Etage des Gebäudes - der Med.-Punkt im Erdgeschoss. Ich kriegte ein Nachthemd, meine Sachen wurden in einem Schrank im Erdgeschoß eingeschlossen.

Es wurde Morgen - und keiner ließ ich sehen. Die Station und ihr Fußboden war bitterkalt, da nicht geheizt wurde. Ohne Pantoffeln und Strümpfe herumzuwandern erschien mir bedenklich. Schließlich tat ich es doch, nachdem es langsam Vormittag wurde. Siehe da - die Tür zur Station war abgeschlossen. Nach Rufen und Trommeln gegen die Scheibe wurde ich dann doch noch erlöst. Der diensthabende Sanitäter vom Vorabend hatte vergessen einzutragen, dass auf der Station ein Patient ist.

Einige Tage später kam ich dann in das NVA-Lazarett Prenzlau. Konservative Behandlung: 5 Flaschen billiges Bier aus dem Konsum auf der anderen Straßenseite in 15 Minuten "einfüllen" und dann eine Spritze in den Po, die normalerweise Frauen zum Einleiten der Wehen bekommen.

Einmal erschien ein Sanitäts-Unteroffziersschüler der aufgeregt so zitterte, dass die Untensilien auf seinem Tablett klapperten. Es sei Zeit für die Spritze, bedeutete er und hielt sich auffällig lange mit der Desinfektion der ausgesuchten Stelle auf. Normalerweise nimmt eine gestandene Krankenschwester etwas vom Sitzefleisch zwischen Daumen und Zeigefinger und rammt die Nadel mit geübtem Schwung hinein. Was macht mein zuküntiger Sanitäter bei seinem ersten selbständig zu erledigenden Auftrag nachdem er Mut gefasst hatte? Er "schraubte" die Spritze mit mehreren Umdrehungen in meinen Hintern als ob man ein Loch mit einem Handbohrer vorbereitet. "Mit mir könn'ses ja machen - ich halte das aus". Der blaue Fleck war wochenlang zu bewundern.

Seit der Zeit liebe ich auch Hagebuttentee. Nachdem das Kontigent für "medizinisches Bier" durch mich "versoffen" war, musste ich täglich 6 Liter (!) Hagebuttentee trinken und durch ein Teesieb pullern. Der Stein wurde trotzdem nicht geboren. Entfernt wurde der schließlich in der Urologie in Pasewalk mittels Schlinge, die ja bekanntlich aus dem Pullermatz heraushängt. Da in der neu eröffneten Station gerade angehende Ärzte in der Ausbildung waren, durften sie bei der Visite alle mal an der Schlinge ziehen, ob sie noch festsaß. Wunderschönes Erlebnis.