Geschichten aus dem DienstlLeben

Der Lord an der Tankstelle

Im Jahr 960 war ich stolzer Besitzer eines PKW "Moskwitsch" 407/ mit Lenkradschaltung und 4-Gang-Getriebe geworden. Die Tage vor Weihnachten war ich mit der zukünftigen Ehefrau zu Besuch in Dresden gewesen. Nach dem Mittag fuhren wir Richtung Berlin zurück, da SIE dort gegen Abend noch die Fahrerlaubnisprüfung absolvieren sollte. An der Autobahntankstelle Freienhufen fuhr ich an einer Tanksäule vor. Damals gab es noch keine Selbstbedienung an den Tankstellen - man wurde von Tankwarten bedient. Ganz gegen meine sonstigen recht höflichen Gewohnheiten kurbelte ich nur das Fenster herunter und schnurrte den dienstbereiten Tankwart an: "VOLL!". Nach Ausführung reichte ich das Geld durchs das Fenster und drehte den Zündschlüssel herum. Oh Schreck - nichts bewegte sich - kein Tropfen Strom mehr im Auto!

Also stieg der Lord nun aus und schob die Karre von der Tanksäule weg. Erste Blamage! Das beobachtete ein Taxifahrer, der ebenfalls einen Moskwitch fuhr und fragte, ob denn mein Gefährt nicht anspringen wolle. Die damaligen KfZ ließen sich von außen noch "ankurbeln" mit Hilfe einer Kurbel. Er nahm sie - eine halbe gekonnte Drehung - der Motor lief wieder - das Auto hatte Strom. Zweite Blamage!

Also auf der Autobahn weiter. Dazu muss man wissen, dass der Autobahnabzweig Dresden-Cottbus kein Autobahnkreuz wie heute, sondern noch eine "Straßenkreuzung" mit STOP-Schild aus der Dresdner Richtung war. Was passierte beim STOP? Der Motor ging aus und sprang wegen fehlenden Strom nicht wieder an. Also schoben wir es über die Kreuzung auf den Grünstreifen. Auf - auf - Marsch von Kilometern zum nächsten Autobahntelefon (Handys gabe es ja damals noch nicht). Dritte Blamage!

Man wolle jemanden schicken, beschied die Autobahnmeisterei. Nach geduldigem Warten erschien ein altertümlicher Opel mit Vater und Sohn. Sie seien aus Freiwalde, der nächsten Abfahrt in Richtung Berlin. Spingt nicht an? Ursache nicht gefunden! Also Schlepp. Nun wurde es aber langsam dämmrich und kein Licht an diesem Auto. Lösung: Ich sollte mich in den Kofferraum bei geöffneter Klappe setzen und mit einer rot geblendeten Taschenlampe sozusagen Rücklicht darstellen. So zuckelten wir die Autobahn bis zu ihrer Werkstatt. Vierte Blamage!

Dortige Diagnose: Batterie leer - Ursache unklar. Man lieh mir bis auf Weiteres eine Batterie - allerdings ein superschweres Monstrum aus einem LKW. Gestartet - Motor lief - bis Berlin - noch rechtzeitig zur Fahrprüfung erschienen.

Was war die Ursache?

Der Anlasser hatte eine neue, in einer Werkstatt schlecht handgedrehte Buchse für den Rotor bekommen, die nicht zentrisch war. Bei einer ungünstigen Stellung des Rotors kriegte eine schon blank gescheuerte Wicklung Kontakt mit dem Stator - als satter Kurzschluss, der die Batterie entlud. Also musste der Anlasser ausgebaut werden. Jedoch woher einen Anlasser bekommen? Nicht möglich. Also blieb nur übrig, den Motor z.B. an der Tankstelle nicht ausschalten, das Auto an einem Berg abstellen um es "anrollen" zu lassen oder mit der Kurbel anwerfen. Und das im Winter!

Da passierten auch blamable Situationen. Zum Beispiel beim Abbiegen nach links auf einer handgeregelten Kreuzung musste man an die "Weiße Maus" heranfahren und warten, bis sie die Richtung freigab. Und in dem Moment ging der Motor aus. Also mit Kurbel aussteigen - die Verkehrspolizistin beruhigen - ankurbeln - auf ihr Zeichen warten.

Meinem Vater wurde das dann zu bunt und er schrieb auf Deutsch einen Brief "An das Moskwitsch-Werk in Moskau". Anlasser kaputt - kein Ersatzteil zu bekommen - was nun?

So in etwa zwei Wochen später kommt ein Brief vom Flughafen Dresden-Klotzsche, es sei eine Kiste abzuholen. Luftfracht - kleine Lagerungsgebühr. Was war drin? Ein Anlasser.