[Hintergrundbild: Der Fichtelberg bei Oberwiesenthal, unter tiefhängenden Wolken verborgen]
AN-2 in Bemalung der DLH der DDR

Es war .....
im Frühherbst 1958, wahrscheinlicher aber 1959, als mir mein Truppenteilkommandeur einen Urlaubsscheck "verordnete", den keiner haben wollte: nach Oberwiesenthal (im damaligen DDR-Bezirk Karl-Marx-Stadt). Verfallen lassen wollte er ihn nicht, so bekam ich gleich zwei Belobigungen: den Scheck und einige Tage Sonderurlaub, um die Reise wahrzunehmen. Damals diente ich als junger NVA-Offizier im Jagdfliegergeschwader-9, welches auf dem Flugplatz Drewitz bei Cottbus, Bahnstation Jänschwalde-Ost an der Strecke Cottbus - Guben stationiert war.

Zu dieser Zeit wurde in der DDR der FLEI-Urlauberverkehr propagiert: Urlaubsreisen mit Flugzeug und Eisenbahn kombiniert. Also kaufte ich problemlos am Fahrkartenschalter in Dresden-Hauptbahnhof eine solche "Fahrkarte", die insgesamt garnicht viel teurer war, als eine reine Eisenbahnfahrt. Zur Erinnerung: in der DDR kostete der Eisenbahnkilometer für die 2. Klasse 8 DDR-Pfennig; evtl. kam noch ein Schnellzugzuschlag von pauschal 3 DDR-Mark hinzu.

Die FLEI-Reise sollte von Dresden mit dem Flugzeug nach Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) und dann mit der Bahn nach Annaberg-Buchholz zum Umsteigen in die Fichtelberg-Bimmelbahn nach Oberwiesenthal führen.

Am Abreisetag begab ich mich zur angegebenen Zeit zum Gebäude der Lufthansa in Dresden, einer Villa, welche sich neben dem Hauptbahnhof in der Wiener Straße befand. Ich sollte im Warteraum bis zum Aufruf Platz nehmen, wurde mir von Stewardessen bedeutet. Ich war der einzige Mensch in dem großen Raum - auch als der Aufruf über Lautsprecher kam: "Die Passagiere nach Karl-Marx-Stadt bitte zur Abfertigung!" Verdutzt sah ich mich im Empfangsraum nach den anderen Passagieren um - ich blieb trotzdem allein. Ich schnappte meinen Campingbeutel, den Koffer hatte ich mit der Bahn vorausgeschickt und begab mich in den anderen Raum.

In der Abfertigung wurde ich und mein Campingbeutel extra auf einer Sackwage gewogen, anschließend auf den Hof begleitet. Dort stand ein H-6 Bus, ein Riesen-Gerät mit 40 oder 50 Sitzplätzen und Gepäckanhänger. Die "Passagiere" in Form meiner einzigen Wenigkeit wurden nun durch die Stadt nach Dresden-Klotzsche kutschiert, begleitet vom Busfahrer und einer Stewardess.

Auf dem Flughafen übergab man mich an einen Fahrer in Lufthansa-Uniform mit einem Wartburg-311 - dieses Gefährt war ja auch ausreichend für den einen Passagier. Während der Fahrt zur Vorstartlinie sah ich eine AN-2 der Lufthansa einschweben - das war mein nächstes Beförderungsmittel. Ich war übrigens immer noch allein.

Als die Tür aufging und eine Einstiegsleiter eingehängt war, empfing mich der Kommandant der AN-2. Tolle Überraschung - wir kannten uns von der Offiziersschule Kamenz. Es war der, kurz nach dem Eintritt 1954 in die Offiziersschule der "Verwaltung der Aeroclubs" in Kamenz zur Fliegerausbildung vesetzte GEMEINHARD (Tschuldigung - Vornamen habe ich leider vegessen). Er regte sich gleich auf, dass ich ihm und seinem Copiloten den ganzen Tag versaut hätte - extra wegen mir mussten sie von Berlin-Schönefeld nach Dresden-Klotzsche, mich dort abholen und nach Karl-Marx-Stadt bringen, dann nach Leipzig-Schkeuditz, einen Brief abgeben, und wieder zurück nach Schönefeld. Hätte ich nicht die Reise gekauft, hätten sie einen ruhigen Tag gehabt.

Na ja - was solls. Der einzige Fluggast setzte sich auf den Notsitz, der in die Tür zum Cockpit eigehängt werden konnte und wir flogen auf die Wiese nach Karl-Marx-Stadt bei herrlichstem Wetter. Wenn ich "Wiese" sagte - der Platz Karl-Marx-Stadt verfügte nur über eine Grasbahn.
Jedenfalls: ich hatte meinen Spaß - ob das für die Lufthansa ein ökonomischer Erfolg geworden ist, war zu bezweifeln.

Fichtelbergbahn
Übrigens ....
suchte ich eine Adresse in Oberwiesenthal in der Brauhausstraße Nummer 9 auf, an die ich mich noch aus meiner Kindheit erinnerte, als ich mit Onkel und Tante in den 1940-iger Jahren mal in Oberwiesenthal war. Dort wohnte nämlich ein Stamm mit Namen SCHMIEDEL.

Dieser Stamm war irgendwie verwandt mit meinem Großvater väterlicherseits. Der "Stammvater", den ich da kennenlernte, war einarmig. Man erzählte sich, dass der fehlende Arm auf dem Küchentisch durch einen "Schmuggler-Doktor" abgetrennt worden ist. Es hat sich wohl bei dem "Stammvater" um einen lokal bekannten Schmuggler gehandelt, der einmal erwischt und durch Zöllner angeschossen wurde.

Oberwiesenthal war ehemals (und heute wieder) Grenzort zur Tschechei gewesen. Großartige Grenzsicherungen gab es zu seinen Zeiten nicht - nur den Grenzbach.