Geschichten aus dem Dienstleben
Die Begleitung

Während unserer Stabsoffiziersausbildung an der Fliegertechnischen Schule Kamenz organisierten wir 1955 oder 1956 eine "Klassenfahrt" an einem Wochenende nach Großröhrsdorf zum Tanz in einer Gaststätte. Als "Aufpasser" gewannen wir unseren Lieblingstaktiklehrer Major HÖHN, einen geradlinigen strammen Offizier, der uns auch viele Tips für das korrekte Verhalten in der Öffentlichkeit gegeben hatte.

Abends im Tanzlokal das damals übliche Bild: die heranwachsenden Töchter saßen sittsam erwartungsvoll zum großen Teil mit ihren Eltern an den Tischen. Wir als Offiziersschüler sahen ja gut aus in unseren khakifarbenen Ausgangsuniformen der KVP (oder war es schon die Steingraue der NVA?) mit der blauen Waffenfarbe im Kragenspiegel, Schulterstücken und Mützenrand. In der Umgebung der alten Garnisonsstandorte war es Tradition, dass für die Töchter ein wohlsituierter Offizier "geangelt" wurde.

Ich selbst als nie guter Tänzer beteiligte mich selten an dem Gerangel um die "schönste Maid". Da kam plötzlich unser Major, nahm mich am Arm, führte mich an einen Tisch und "befahl" mir, mehrmals ein "sitzengebliebenes" Töchterchen zum Tanzen zu führen. Na ja, die Schlankeste war es nicht gerade - aber der Befehl wurde ausgeführt. Der Major, konnte ich beobachten, ließ sich öfters an dem Tisch sehen, wo ich die Tochter wieder ablieferte. Ich selbst zog mich immer nach den Tänzen an meinen Platz zurück.

Dann kam der nächste Befehl vom Major: ich sollte mit der Tanzpartnerin an die Bar gehen und einen Sekt ausgeben. Nun musste ich dem Major aber gestehen, dass ich garnicht so viel Geld einstecken hatte. Prompt gab er mir 10 Mark auf Pump. Auch dieser Befehl wurde ausgeführt.

Gegen Schluß der Tanzveranstaltung kam der dritte Befehl: Ich sollte das Mädchen nach Hause begleiten. Also wurde ich von ihren Eltern beim Mädchen eingehakt und wir trabten los - zum Unglück in ein kilometerweit entferntes Nachbardorf. Das Mädchen und ich vornweg - die Eltern hinterher und auch noch ein Onkel mit Fahrrad dahinter. Vor dem Haus des Mädchens erfolgte der korrekte Abschied auf (Nimmer)Wiedersehen mit Verbeugung - der Onkel mit Fahrrad begleitete mich zurück zu unserem Quartier in einer Jugendherberge.

Als ich dem Major das geliehene Geld Tage später zurückgab, sagte er mir, dass sich die Eltern des sitzengebliebenen Mädchens an ihn gewandt hatten, einen sitzengebliebenen Offiziersschüler zu veranlassen, dem Mädchen einen schönen Abend zu organisieren.

Auch so können Befehle aussehen!